Die Brieselangerin Antje Koch ist Bestatterin. Dabei widmet sie sich Hinterbliebenen und Verstorbenen mit vollem Einsatz – auch wenn die Bürokratie es ihr manchmal schwer macht
Brieselang. Wenn man ein Kind fragt, welchen Beruf es einmal ausüben möchte, sind noch heute häufige Antworten „Feuerwehrmann“ oder „PolizistIn“. Oder neuer: „Influencer“. Im Laufe der Jahre ändern sich dann diese Berufswünsche. Nicht so bei der Brieselangerin Antje Koch. Für sie war schon als Kind klar: „Ich werde Bestatterin“. Und das wurde sie. Doch wie kommt jemand auf die Idee, den Tod zum Lebensinhalt zu machen?
„Schon früh – vielleicht so zwischen sechs und acht Jahren Alter – habe ich angefangen, darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn Eltern oder Freunde sterben würden“, sagt Antje Koch. Dabei dachte sie weniger an die Trauer über den Verlust, sondern mehr daran, was eine Bestattung so angenehm wie möglich für die noch Lebenden machen würde. Wer wird zur Beerdigung eingeladen? Welche Musik hätte der verstorbenen Person am besten gefallen? Das waren Fragen, die sich Koch gestellt hat und noch heute stellt.
Bis Antje Koch ihren Wunschberuf erlernen durfte, dauert es eine Weile. Mit 17 Jahren zog sie von Kladow nach Spandau und hatte eigentlich vor, ihr Fachabitur im Sozialwesen zu machen. Die Familienplanung unterbrach dann die Schullaufbahn: „Die Schule hatte mir zwar zugesagt, dass ich mein Fachabi nachholen könnte, aber nach einem Jahr Mutter-sein, wollte ich nicht mehr zurück“, sagt sie. Der Liebe wegen zog sie 2009 nach Brieselang.

Koch machte erst eine Ausbildung für analoge Fotografie, verfolgte aber stets weiter den Plan, Bestatterin zu werden. Die Trauerpsychologie, die Gesetzeslage und die Abwechslung des Berufes übten Anziehungskraft auf sie aus. „Ich wusste immer, dass ich nicht dafür geeignet bin, jeden Tag in einem Büro dasselbe zu machen.“ Sie hoffte, durch ein Praktikum eine bessere Chance auf dem Ausbildungsmarkt zu haben. In Brieselang fand sie einen Betrieb, der ihr ein solches Praktikum ermöglichte. „Gleich am ersten Tag haben wir einen Toten aus Brandenburg an der Havel abgeholt. Ich habe ihm die Socken angezogen und geholfen, ihn in den Wagen zu legen.“ Es war der erste Tote in ihrem Leben.
Bei der Rückfahrt habe sie dann gleich ihr Pausenbrot im Auto gegessen. „Der Chef meinte dann: ,Wenn du jetzt Stulle essen kannst, kannst du auch Bestatter werden‘.“
Ausbildung bei einem „Couch-Bestatter“
Das dauerte aber wieder eine Weile. Der Brieselanger Betrieb konnte keinen Ausbildungsplatz finanzieren. Also sah Antje Koch sich nach anderen potenziellen Ausbildungsstätten um. „25 Bewerbungen hatte ich geschrieben. Dann erst nahm mich ein Bestattungsunternehmen aus Charlottenburg.“ Die Firma war eine, die in Fachkreisen „Couch-Bestatter“ genannt wird. Das sind solche, die viele Tätigkeiten an externe Anbieter auslagern. „Die Hinterbliebenen haben zwar ein Gespräch im Büro, aber viel mehr macht die Firma dann nicht selbst.“
Die verstorbene Person wird von einem externen Auftragnehmer abgeholt, Blumen und Urne telefonisch bestellt und direkt zum Friedhof geliefert. Der Bestatter käme dann kurz zur Beerdigung und sei „wieder weg, bevor das Grab geschlossen ist“, sagt Antje Koch. Sie wusste für sich: So möchte sie nicht arbeiten. Doch einen anderen Ausbilder zu finden, wäre nahezu unmöglich gewesen. Und darum blieb sie die vollen drei Ausbildungsjahre dort. Ihr Ehemann Christian unterstützte sie, indem er sich um den Nachwuchs kümmerte.
In dieser Zeit tat sich in Brieselang etwas. Der Betrieb, in dem sie ihr Praktikum gemacht hatte, war nun in der Lage, jemanden einzustellen. „Es hat mich wahnsinnig gefreut, dort anfangen zu können“, erzählt Koch. Sie sei in dem Moment der Jobzusage „der glücklichste Mensch auf der Welt“ gewesen.
Der Brieselanger Familienbetrieb hole noch selbst die Toten ab und lagere das nicht an andere Firmen aus. Auch die Trauerarbeit sei viel besser gewesen, schildert Koch. Sie lernte viele Dinge, die in ihrer Ausbildungsstätte zu kurz gekommen waren. Nach und nach durfte sie auch alleine Bestattungen organisieren. „Für mich ist immer die Frage wichtig: ,Wie kann ich den Hinterbliebenen helfen?‘ Die Trauer abnehmen kann ich leider nicht.“

Antje Koch wollte allerdings immer selbstständige Bestatterin sein. Es war ihr größter Wunsch, ihrer Arbeit ganz ohne Einschränkungen eine eigene Note zu geben. Sechs Jahre blieb sie im Betrieb und machte sich dann im Juli 2021 selbstständig. Das sei schwer gewesen, denn der Markt ist umkämpft und die Gründungskosten hoch. Beispielsweise muss ein Bkw, ein „Bestattungskraftwagen“ angeschafft werden, genau so wie Hygieneartikel, Verbrennersärge für Urnenbestattungen und Werbematerial.
Und dann sind da unzählige Gesetze zum Thema Beisetzung und Umgang mit Toten. Teilweise verschiedene in jedem Bundesland. Was für Verstorbene in Brandenburg gilt, gilt nicht zwangsweise auch für die in Berlin. Am meisten stört Koch, dass die zwei christlichen Hauptkirchen in Deutschland bestimmen, wie jemand bestattet werden muss, auch wenn in Brandenburg nur noch 18,2 Prozent der Bevölkerung Mitglied der evangelischen oder der katholischen Kirche sind.
Seit 2015 habe es sogar massive Einschränkungen bei der individuellen Trauerbewältigung in Brandenburg gegeben: „Davor durften Angehörige ein kleines bisschen Asche eines Kremierten erhalten, um diese zum Beispiel in einen Schmuckanhänger zu füllen.“
Starke Einschränkungen der Bestattungsmöglichkeiten in Deutschland
Mit der Begründung, man dürfe „keine Leichenteile“ mit nach Hause nehmen, hat die evangelische Kirche vor dem Landtag durchgesetzt, dass diese Form der Trauer nicht mehr möglich ist. Ein echter Rückschritt, wie Koch findet. „Jeder sollte auf seine Weise trauern dürfen und nicht, wie eine Institution es vorschreibt“, sagt sie. Diesen Friedhofszwang gibt es in Europa fast nur noch in Deutschland. Länder wie Spanien, Niederlande, Polen, Frankreich und Tschechien erlauben, dass Urnen dauerhaft bei den Hinterbliebenen im Haus stehen können, da von ihnen keine Krankheitsgefahr ausgeht. Koch meint, es wäre schön, wenn das auch in Deutschland möglich wäre.
In Spanien ist es sogar möglich, die Asche selbst im Meer, ohne weitere Genehmigung, zu verstreuen. Eine Sache der Unmöglichkeit in Deutschland. „In Deutschland kann man sich zwar aussuchen, ob der Bestattungsort der Friedhof, der Friedwald, das Kolumbarium oder die See sein soll, doch mehr nicht. Außerdem muss alles belegt werden“, sagt Koch. Einen Diamanten aus der Asche pressen zu lassen, ist auch nicht erlaubt.
Es gibt einige Unterschiede zwischen den Bundesländern. Ist eine Seebestattung gewünscht, müssen Berliner Familien einen Antrag auf Seebestattung stellen. „Der alleine kostet momentan 58 Euro“, sagt Koch. In Brandenburg sei dieser Antrag nicht nötig, der Beleg der Einäscherung reiche.

Was Antje Koch betrübt, ist der Umgang mit den Körpern derer, die in Brandenburg durch Suizid oder einen Unfall gestorben sind: sie werden beschlagnahmt. Für Untersuchungen. Das sei zwar sinnvoll, um Mord auszuschließen, aber durch diesen Vorgang haben Angehörige oft tagelang keine Möglichkeit den, oder die Tote/n auch nur einmal zu sehen. „Sie wissen dann zwar, dass die Person tot ist, aber sie können mit dem Trauerprozess nicht richtig beginnen, weil ihnen der Kontakt zum Verstorbenen fehlt“, sagt die Bestatterin.
Für Antje Koch bedeutet dieses Verfahren auch mehr Mühen: Sie muss zur Staatsanwaltschaft in Potsdam, um eine Freigabe des Körpers zur Bestattung zu erhalten. Dann muss sie zur ermittelnden Polizeidirektion, um dort den Totenschein zu erhalten. Mit diesen Papieren fährt Koch zum Vertragsbestattungshaus, in dem der Tote bis dahin liegt. Dann erst sei der Leichnam abholbar. „Der ganze Prozess ist nicht digitalisiert“, sagt Koch. Jeden Schein müsse sie persönlich abholen. Das koste sie Mühen und Zeit, die leider den Angehörigen in Rechnung gestellt werden müssten.
In Berlin hingegen sind alle nötigen Dokumente beim Gerichtsmediziner hinterlegt. Das sei nur ein einziger Weg für sie, um alles Wichtige für die Bestattung zu erhalten.
Doch es gibt Ausnahmen in Brandenburg: Wenn jemand weiter entfernt von Potsdam, beispielsweise in Friesack, verunfallt oder Suizid begeht, ist es sehr wohl möglich, alle Dokumente per Fax oder E-Mail zu erhalten. „Die Möglichkeit sollte es aber immer geben“, sagt Antje Koch. So hätten alle Angehörigen mehr Zeit für den Trauerprozess und weniger Behördenstress.
Die persönliche Trauerarbeit ist Hilfe für Hinterbliebene
Für die Trauerarbeit versucht die Bestatterin, die Wünsche der Hinterbliebenen so gut wie möglich zu erfüllen. Da weder Diamanten aus der Asche kremierter Personen gepresst werden dürfen, noch die verbliebene Asche zu Hause verbleiben darf, sucht Koch nach alternativen Andenken: „Beispielsweise kann man von der verstorbenen Person einen Fingerabdruck nehmen und den Abdruck dann auf ein Schmuckstück übertragen.“ Der Fingerabdruck wird in Kettenanhänger aus Gold oder Silber gegossen oder gelasert.
Die Trauerreden verfasst Antje Koch ebenfalls selbst. In ausführlichen Gesprächen mit Angehören versucht sie, den Lebzeitcharakter zu erfassen, um ihn später in passenden Worten wiederzugeben. Alles ist individuell. Keine Bestattung sei gleich. Manche sind trauriger, andere sogar fast beschwingt. Gerne erinnert sich Koch an eine Beisetzung auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf. Die Kapelle der alten Stabholzkirche dort habe eine so beeindruckende Akustik, dass niemand mit Mikrofon sprechen müsse. In dieser Kapelle sang zum Abschied der Verstorbenen eine bekannte Gospelsängerin. „Dieser Gesang hat mich sehr gerührt. Einerseits wollte ich mitsingen, andererseits weinen“, erinnert sich Koch.
Der Beruf braucht mehr Nachwuchs
Der Bestatterberuf ist weiterhin der einzige, den Antje Koch sich für sich vorstellen kann. Jeder Tag sei anders, einmal trocken bürokratisch, einmal gefühlvoll mitmenschlich. Sie findet es schade, dass diese Branche derzeit ebenfalls mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen habe. Schließlich verbinde der Beruf Selbstverwirklichung und Hilfe für andere. Und es stört sie, dass eine Ausbildung nicht verpflichtend ist. „Man kann als Quereinsteiger einfach loslegen. Ohne Vorkenntnisse.“ Sie habe schon erlebt, dass solche Quereinsteiger dann die Toten ohne Handschuhe anfassen, weil sei nichts über das Infektionsschutzgesetz wüssten und nicht wissen, welche Urnen oder Sargmaterialien für welche Art der Bestattung gut seien.
Manchmal sei man aber schon froh, wenn da überhaupt jemand ist, der in einer solchen Lage helfen möchte.
Wer sich genauer über Antje Kochs Arbeit informieren möchte, kann dies auf ihrer Homepage: https://www.antjekoch-bestattungen.de
Dieser Text entstand aus Interesse an Antje Kochs Arbeit. Es gab keinen Werbeauftrag oder ähnliches.