Fischer formuliert frische Philosophie

Satiriker Leo Fischer schafft mit “Der Kaffee am Arsch der Welt” den ersten Nicht-Ratgeber

Finkenkrug. Das Jahr 2020 hat an freudigen Ereignissen gespart. Und so heben sich die wenigen, die es gibt, im besonderen Maße ab. Darunter ist am 18. September die Open Air-Lesung des Autors Leo Fischer.
Fischer ist etablierter Publizist für humoristische und satirische Texte. 

In Finkenkrug liest er aus seinem neuesten Buch „Der Kaffee am Arsch der Welt“ – und es ist großartig.
Das Publikum lacht zum einen viel, weil alles einfach sehr lustig ist und zum anderen, weil Fischer eine ausgefeilte Vorlesetechnik hat. Seine angenehme Stimmlage führt gekonnt von einer Pointe zur nächsten.
„Der Kaffee am Arsch der Welt“ ist laut Buchbeschreibung „eine Erzählung über den Unsinn pseudophilosophischer Weisheiten“ und orientiert sich in seiner Einbandgestaltung, seinem Titel und ein klein wenig inhaltlich, an John Streleckys „Das Café am Rande der Welt – Eine Erzählung über den Sinn des Lebens“.
Bei Strelecky findet der abgehetzte Protagonist Gelassenheit und Erkenntnis in einem Café am Rande der Welt. Das Buch gilt als Lebensberater und Wegweiser zu mehr innerer Ruhe.

Der satirende Autor Leo Fischer bei seiner Gartenlesung in Falkensee-Finkenkrug 2020 Foto: Vivien Tharun

Leo Fischer nimmt Streleckys Selbstoptimierungsroman zum Anlass, selber ein ähnliches Werk zu schreiben – nur eben ganz anders. Dabei hangelt sich der studierte Philosoph Fischer anfänglich grob an Streleckys Erzählweise lang, um dann vollends abzudrehen. Fischers Hauptfigur wird vom Pop-Philosophen Richard David Precht durch Welten geführt und vor schwerwiegende Fragen wie beispielsweise Sterbehilfe gestellt, was aber nicht weiter stört.
Für seine Geschichte hat Leo Fischer, laut eigenen Angaben, einfach „mal geguckt, wohin das Ganze führt“ und sich im Vorfeld keine großen Gedanken über einen speziellen Plot gemacht. Und genau das macht den „Kaffee am Arsch der Welt“ so angenehm. Der Leser wird nicht dem altbekannten Spannungsbogen einer vorhersehbaren Erzählung ausgeliefert, sondern auf jeder Seite mit einer neuen Absurdität überrascht.
Dabei imitiert Fischer die Sprache, in der Selbstoptimierungswerke geschrieben sind, gekonnt.
Zum Beispiel fällt der Begriff „G-W-G-Wert“ im Buch. Ein ausgedachter Ausdruck, der schön wissenschaftlich klingt. Fischer freut es, dass sein aktueller Roman in Buchhandlungen meist direkt neben Streleckys Werken steht und sich besser verkauft als jedes andere Buch, das er bisher veröffentlicht hat. Insofern „hat es mich und mein Leben reicher gemacht“, wie er sich selbst auf Amazon rezensiert.

„Der Kaffee am Arsch der Welt“ ist für alle das Richtige, die es mögen.
Die neueste Fünf-Sterne-Rezension auf Amazon dazu stammt von Nutzerin „Satzuki“.
Diese Nutzerin ist deckungsgleich mit der Autorin Vivien Tharun:
Als ich zur Weihnachtszeit eine handgeschriebene Postkarte meines Steuerberaters erhielt und zeitgleich auf dem Küchentisch ein von mir gebackener Kuchen stand, wusste ich: ich bin eine Rosskastanie. Zu dieser Erkenntnis brachte mich dieses formidable Buch. Sogleich konnte ich mein Leben neu gestalten. Ich investierte in Gold (3,57 Euro) und wechselte den Beruf. Seitdem ist mein G-W-G-Wert immens gestiegen. Auch verstehe ich nun deutlich besser, was den Philosophen Richard D. Precht ausmacht: wallende Haare und erotisch-männliche Arme. Danke, Herr Fischer!

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